1941 bis 1978

1947: Kurze Beine hatte die Getränkesteuer, aber die Biersteuer blieb
Nach der Abwertung des Schweizer Frankens von 1936 und der horrenden Verteuerung der Rohstoffe und Hilfsmaterialien senkte der Bund zumindest die Zölle auf Braugerste und Malz geringfügig. Grösseren Erfolg hatten 1937 aber die Weinbauer. Sie machten eine Notsituation infolge zweier Grossernten (Preiszerfall) und der Wirtschaftskrise geltend. Westschweizer Weinbauern drohten auch, die Eintreibung der Steuer mit Gewalt zu blockieren. Die allgemeine Getränkesteuer auf Gärmost, Wein und alkoholfreie Getränke wurde wieder abgeschafft, übrig geblieben ist nur die Biersteuer. Wein und Most galten grundsätzlich als einheimische Produkte, welche den Bauern ein gutes Einkommen geben sollte, während das Bier immer noch nicht als schweizerisches Getränk empfunden wurde. Eine nicht zu unterschätzende Funktion spielte aber auch die Fakten, dass das Bier für drei Viertel der Getränkesteuereinnahmen zuständig war und der Bundesrat wegen der fortdauernden Finanznot der Eidgenossenschaft nur widerwillig darauf verzichtet hätte.

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In den ersten Kriegsmonaten entwickelte sich durch die Generalmobilmachung sogar ein kleiner Bierboom. Auch die Malz- und Hopfenvorräte waren in Erwartung des Krieges aufgestockt worden, sodass erst ab Herbst 1940 der Stammwürzegehalt schrittweise reduziert werden musste. Im Jahr 1941 wurde die Biersteuer abermals massiv erhöht. Darüber hinaus führte die Bundesversammlung die Warenumsatzsteuer (WUST) ein. Dieses Mal musste der Bierpreis erhöht werden. Wegen des enorm sinkenden Ausstosses hatte der Bundesrat 1944 die Steuererhöhung jedoch wieder rückgängig gemacht. Die Brauer hatten den Bundesrat überzeugen können, dass ein gestiegener Bierpreis fallende Absätze bewirke, was andererseits zu mehr Steuerausfällen führe als eine begrenzte Besteuerung bei solidem Konsum. Die Abstinentenverbände stellten dieser Schlussfolgerung entgegen, dass auch Wein und Most sich verteuert habe, ohne dass ein Verkaufsrückgang zu spüren gewesen wäre. Was war aber geschehen? Auch während des Zweiten Weltkrieges verminderten die Brauer wegen der ab 1940 einbrechenden Malzimport den Stammwürzegehalt auf bis zu sechs Prozent. Zur Versorgung aller Brauereien mit Rohmaterialien wurde 1941 ein Durchhaltevertrag unterzeichnet, der vorsah, die noch vorhandenen Vorräte gleichmässig auf alle Brauereien zu verteilen. Erst 1948 wurde der Vertrag wieder aufgehoben. Der hohe Verkaufspreis und ein dünneres Gebräu hatte beim heftigen Konsumrückgang während des Zweiten Weltkrieges gleichermassen seine Funktion beigetragen. In den Köpfen der massgeblichen politischen Akteure blieb aber vorerst die Preissensibilität des Bieres haften, was den Brauereien
in Fiskalfragen natürlich entgegenkam.

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Gottlieb Duttweiler, Nationalrat und Gründer der Migros schrieb im “ Brückenbauer“ seiner Konsumenten-Zeitung vom 22. August 1947 deshalb empört, dass auch in der Schweiz der König Alkohol regiere: „Die Bierbrauer hatten während des Krieges und haben nach dem Krieg ihre bestimmte Preis- und Absatzpolitik. Nach dieser hat sich der Staat zu richten. Die Bierbrauer haben den Willen, dass das Bier in der Wirtschaft billiger verkauft werde als irgendein anderes Getränk, und nach dem haben sich die Wirte, aber auch der Fiskus, zu richten.“ Auch Duttweiler spielte wieder die Karte “einheimische Landwirtschaft“: Während der von ihm geförderte Süssmost zu 100 Prozent schweizerisch sei, komme im Bier nur gerade das Wasser aus der Schweiz.
Auch zum Thema “Biersteuer“ trafen sich die Schweizer Bierbrauer an der Tagung von 6. Und 7. Mai 1947 auf dem Bürgenstock. Zur Erinnerung dargebracht, erschien ein Heft mit dem Titel “Echo vom Bürgenstock“ von Peter Bartenstein aus Uster. Ein Bildbericht von der “Schwerarbeiter-Tagung“ über “Gehörtes – Ungehörtes – Unerhörtes“. Zu sehen auf 18 Seiten sind Illustrationen über das Bier, die Brauerei und die Biersteuer, von Moritz Kennel, Grafiker aus Zürich. Peter Bartenstein wollte mit diesem Geschenk an seine Kameraden das 60 jährige Bestehen der
Brauerei Uster jubilieren lassen.

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Obwohl die Bierbrauer früher mit einzelnen Verträgen und später mit der Konvention in ihrer Handelsfreiheit eingeschränkt wurden, blieben sie starke und stolze Individuen, die sich für die Interessen ihrer Brauerei einsetzten. Die meisten kamen aus alten Familienbetrieben, deren Exponenten sich schon seit mehreren Generationen kannten. Aufgrund dieser engen Verbundenheit entstand Vertrauen, aber es flogen zuweilen auch die Fetzen.

1948: Kleine Bierkunde
Überreicht von der Brauerei Uster, P. Bartenstein A.G.
Bier gibt es seit Jahrtausenden. Umso verwunderlicher ist es, dass über dieses edle Getränk, sowohl beim Konsumenten, wie bei jenen, die berufsmässig damit zu tun haben, oft mangelhafte Kenntnisse und irrige Meinungen vorherrschen. Diese kleine Broschüre möchte deshalb diesem Mangel abhelfen. Viel darin Gesagtes wird zweifellos bekannt sein, anderes aber ist vielleicht auch für den Leser neu. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie diese kleine Bierkunde, nachdem Sie sie gelesen haben, auch einem weiteren Kreis, das heisst Freunden, Personal usw. zugänglich machen würden. Mit bestem Dank!

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Bier seit Jahrtausenden !?
Kulturhistorische Funde und gut erhaltene Keilschrifttexte alter, längst vergangener Völker beweisen, dass die Bierherstellung so alt ist wie die Kultur des Getreides überhaupt. Wir wissen, dass Backen und Brauen kulturhistorisch in engem Zusammenhang stehen und dass die ältesten Bewohner des Euphrat- und Tigrislandes, die Babylonier, bereits 7000 Jahre vor Christus Bier gebraut und als einen wichtigen Teil ihrer Nahrung regelmässig genossen haben. Vom 5. Vorchristlichen Jahrtausend an treten bereits gewerbliche Brauereibetriebe und gelernte Brauer in Erscheinung. Von den Babyloniern habe die Ägypter die Kunst des Brauens übernommen. Eine grosse Anzahl bildlicher Darstellungen bezeugt, dass das Mälzen und Brauen in Ägypten bereits stark entwickelt war und dass das Bier im Alltag und religiösem Kult eine grosse Rolle spielte.
Über die Entwicklung des Brauwesens in den ersten geschichtlichen Zeiten Germaniens finden sich nur wenige zuverlässige Quellen. Sicher ist, dass die Klöster die Wegbereiter der Braukunst waren und sich grosse Verdienste um die spätere Entwicklung des Brauwesens in Europa erworben haben. An die Stelle der blossen Erfahrungspraxis von ehedem trat klare wissenschaftliche Erkenntnis. Die Technik des Brauens ist heute aufs höchste vervollkommnet – aber der eigentliche Mälzungs- und Brauprozess sowie der Gärungsvorgang sind noch immer dieselben wie im frühesten Altertum. Heute wie vor 7000 Jahren ist Bier ein reines Naturprodukt geblieben.

Hopfen und Malz
In unserer Umgangssprache brauchen wir manchmal die Redewendung: „Da ist Hopfen und Malz verloren!“ In diesem negativen Urteil ist ganz offenbar ein indirektes Lob der beiden Stoffe verborgen. Wir denken uns aber wenig bei einem solchen Ausspruch. Wer weiss etwa, dass der Hopfen eine Pflanze ist deren Ranken an Stangen oder Stahldrähten empor klettern und 8-10 m hoch werden können? Wer weiss, dass die Blüten dieser Pflanze ein gelbliches Harz, das Lupulin, enthalten, das dem Bier seinen würzigen Bittergeschmack und ein feines Hopfenaroma verleiht, die Haltbarkeit erhöht und die Schaumbildung fördert?
Wer könnte darüber Auskunft geben, welche Rolle die Gerste bei der Bierbereitung spielt? Gerste enthält wie alle Getreidearten – Stärke. Lassen wir die Gerste keimen, so verwandelt sich ein Teil der Stärke in Malzzucker. Aus der Gerste entsteht also das sogenannte Malz, der Grundstoff für unser schäumendes Getränk. Hopfen und Malz sind reine Naturprodukte, für die es keine gleichwertigen Ersatzstoffe gibt! Bei einem guten Bier sind Hopfen und Malz nie verloren!

Was ist eigentlich Bier?
In einem im Jahre 1874 erschienenen Buch über die Braukunst steht geschrieben: „Ein Hauptteil bei dem Bierbrauen ist das dazu nötige Wasser.“ Die Feststellung hat bis heute noch ihre Richtigkeit unverändert beibehalten, denn in den Mälzereien und Brauereien werden tatsächlich grosse Mengen Wasser zum Mälzen und Brauen benötigt.
In einem wohldurchdachten und sorgfältig geleiteten Mischprozess wird aus dem Malz mittels heissen Wassers ein malzzuckerhaltiger Extrakt erzeugt, der mit Hopfen gewürzt und mit Reinhefe vergoren wird. Bei der Gärung verwandelt sich der Malzzucker weitgehend in Alkohol und Kohlensäure. Während jedoch bei Gärung des Weines der Traubenzucker restlos in Alkohol und Kohlensäure gespalten wird, bleiben im Bier auch nach beendeter Gärung unvergorene und schwer vergärbare Zucker zurück. Das in einem monatelangen Lagerungsprozess gereifte und mit natürlicher Gärungskohlensäure gesättigte Bier enthält somit auch in konsumfertigem Zustande noch eine Reihe hochwertiger Zucker (Kohlehydrate), Eiweissstoffe und Mineralsalze.
Bier ist kein synthetisches Getränk. Es wird aus natürlichen Rohstoffen durch natürliche Vorgänge gewonnen und unter Wahrung peinlichster Reinlichkeit und Hygiene hergestellt und zum Verkauf gebracht.

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„Fräulein, bitte ein Spezial!“
Die Gäste, die in einem Restaurant ein Spezial bestellen, sind keineswegs Wichtigtuer, die eine Extrawurst haben möchten. Sie bekunden damit nur, dass ihnen das Spezialbier besser behagt als das Lager- oder Normalbier. Was versteht man nun aber unter einem Spezialbier, und welches ist der Unterschied zwischen Spezial und Lager?
Die Spezialbiere – ob hell oder dunkel – sind stärker eingebraut. Sie wurden unter Verwendung von mehr Malz hergestellt und weisen – wie der Fachmann sich auszudrücken pflegt – einen höheren Stammwürzegehalt auf als die Lagerbiere. Dem höheren Extraktgehalt entsprechend, entsteht bei der Gärung etwas mehr Alkohol, so dass die Spezialbiere im Vergleich zu den Lagerbieren auch einen etwas höheren Alkoholgehalt besitzen. Die hellen Spezialbiere zeichnen sich ausserdem durch eine kräftigere Hopfenbittere und ein ausgeprägteres Hopfenbukett aus; die dunklen Spezialbiere dagegen sind malziger als die entsprechenden Lagerbiere.

Gehört Bier auf den Balkon?
Viele Hausfrauen bewahren Flaschenbier auf dem Balkon auf! Diese zweifellos gut gemeinte und weit verbreitete Gewohnheit ist aber nicht empfehlenswert, weil Bier lichtempfindlich ist. Bei längerer Einwirkung von Sonnenlicht nimmt es einen merkwürdigen, brotigen Geruch und Geschmack an, der insbesondere im Nachtrunk unangenehm empfunden wird. Die hohe Lichtempfindlichkeit des Bieres – besonders empfindlich ist das helle – ist der Grund dafür, warum wir unser Bier nicht in farblosen Mineralwasserflaschen, sondern in braunen oder grünen Flaschen zum Verkauf bringen.
Der Wirt weiss, dass Flaschenbier im kühlen, dunklen Keller lagern muss. Natürlich kann es auch im Kühlschrank aufbewahrt werden, doch soll die Temperatur des Kühlschrankes nicht unter 6o C liegen, da das Bier bei einer tieferen Temperatur “kältetrüb“ werden könnte. Auf alle Fälle muss es so rechtzeitig aus dem Kühlschrank genommen werden, dass es bis zum Ausschank die richtige Trinktemperatur von 7-10o C annehmen kann.

Was versteht man unter Bockbier? Was sind Starkbiere?
Die Bockbiere stehen bezüglich Stammwürze- und Alkoholgehalt den Spezialbieren nahe. Sie werden in der Regel an Ostern und an Weihnachten anstelle des Lagerbieres als Festtagsgetränk zum Preise des Lagerbieres zum Ausschank gebracht. Der Name Bockbier leitet sich von der alten mitteldeutschen Stadt Einbeck ab, wo um das Jahr 1600 herum berühmte Biere “einpöckischer Art“ gebraut wurden. Aus dem Einbeck-Bier wurde mit der Zeit im Sprachgebrauch das Bockbier. Mit dem Ziegenbock hat das Bockbier nichts zu tun.
Erst seit kurzem bringen die Schweizer Brauereien ein sogenanntes Starkbier auf den Markt. Schon die Aufmachung und das für den Ausschank bestimmte feine Glas lassen erkennen, dass es sich hier nicht um etwas Alltägliches handelt. Die Starkbiere sind noch wesentlich stärker eingebraut als die Spezialbiere und weisen daher auch einen höheren Alkoholgehalt auf. Sie gehören aber immer noch zu den Getränken mit bescheidenem Alkoholgehalt. Um das köstliche Malzaroma und das edle Bukett besonders deutlich hervortreten zu lassen, werden diese Starkbiere etwas wärmer – mit 11-13oC – als unsere Lager- und Spezialbiere ausgeschenkt; es sind keine ausgesprochenen Durstlöscher, sondern sollen zu festlichen Anlässen und mit Verstand genossen werden. Als Schlummertrank erfreuen sich diese Starkbiere besonderer Beliebtheit und Wert.

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Ist dunkles Bier stärker als helles?
Gerade im Zusammenhang mit den vertrautesten Dingen des Alltags behaupten sich gewisse Vorurteile oft mit erstaunlicher Hartnäckigkeit. Dunkles Bier sei stärker als helles, behaupten viele. Oder man hört gar die Meinung, das dunkle Bier sei ein missratenes, nachträglich gefärbtes helles. So wenig wie die Löcher in unseren Emmentaler geschossen werden, entspricht eine dieser beiden Meinungen der Wahrheit.
Unsere hellen und dunklen Lager- und Spezialbiere unterscheiden sich bezüglich des Alkoholgehaltes nur unwesentlich voneinander (3,5 bis 4,5%). Dagegen stellen die hellen und dunklen Biere zwei grundlegend verschiedene Typen dar. Schon bei der Malzbereitung wird auf die Art des später herzustellenden Bieres Rücksicht genommen. Helle Biere macht man aus hellem, schwach geröstetem Malz. Sie enthalten mehr Hopfen als die dunklen Biere und sind somit auch bitterer. Dunkle Biere werden aus stärker geröstetem – der Fachmann sagt: “stärker gedarrtem“ – Malz hergestellt. Diese Biere zeichnen sich durch ein kräftiges Röstaroma aus und schmecken zufolge der niedrigeren Hopfengabe auch süsslicher und malziger als die hellen Biere.
Nach einer Statistik gibt in unserem Lande eine grosse Mehrheit (80%) dem hellen Bier den Vorzug. Ob helles oder dunkles Bier, ist Mode- und Geschmackssache – doch sind beide Biere gleichwertig!

Wie lange hält sich das Flaschenbier?
Unsere Brauereien garantieren dafür, dass das gelieferte Flaschenbier eine Haltbarkeit von mindestens zwei Wochen aufweist. In Wirklichkeit hält es sich wesentlich länger, doch kann es bei falscher Aufbewahrung oder bei zu langer Lagerhaltung trüb werden. Oft wird uns die Frage gestellt, warum die Brauereien nur für eine so kurze Haltbarkeit garantieren, und warum man Biere nicht ebenso lange aufbewahren kann wie Wein.
Es besteht ein grosser Unterschied zwischen Wein und Bier. Wein hat zunächst einmal einen wesentlich höheren Alkoholgehalt, der die Lagerfähigkeit auf natürliche Weise verlängert. Ferner enthält das Bier vom Malz her noch recht beachtliche Mengen an unvergorenen Zuckern, die bei zu langer Lagerung eine nachträgliche Entwicklung und Vermehrung des Hefepilzes zur Folge haben können. Die so entstehende Trübung ist nichts anderes als Hefe – die Hefetrübung ist somit eine Erscheinung, der wir durch rechtzeitigen Konsum wirksam begegnen können. Der Genuss von hefetrübem Bier wäre gewiss nicht gesundheitsschädlich – wir trinken ja auch hefetrübe Getränke, wie zum Beispiel Sauser. Solches Bier schmeckt jedoch “hefig“ und hat an Ursprünglichkeit zweifellos verloren.

Die Kunst, Bier einzuschenken.
Ja, auch das ist eine Kunst, die verstanden und gelernt sein will. Voraussetzung für einen schönen Ausschank ist die richtige Temperatur des auszuschenkenden Bieres. Als ideale Ausschanktemperatur hat sich das Intervall von 7-10o C erwiesen. Ist das Bier zu warm, so “treibt“ es im Augenblick des Einschenkens. Das Glas schäumt über, der Schaum fällt schnell zusammen und die Kohlensäure verflüchtigt sich. Ds Bier büsst an Rasse ein; es hat seinen Lebensnerv verloren. Ist dagegen das Bier zu kalt – liegt die Temperatur stark unter 7o C, – so haftet die im Bier enthaltene natürliche Kohlensäure zu fest; sie kann keinen Schaum bilden – das Bier steht schaumlos da!
Bier soll so eingeschenkt werden, dass es eine schöne, kompakte Schaumkrone bildet. Gänzlich falsch ist es aber, das Bier in hohem Strahl ins Glas plätschern zu lassen oder gar einen “Stern“ erzeugen zu wollen. Der auf diese Weise gebildete Schaum ist ebenfalls unbeständig und Kohlensäureverluste sind unvermeidlich. Bier soll den Gästen mit Aufmerksamkeit und Liebe serviert werden!

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Passt Bier zu Meringues?
Bestimmt nicht! Zu Ost und süssem Dessert, wie Glace oder Patisserie, wird kaum jemand Lust nach Bier empfinden. Zu pikanten Speisen hingegen passt der herbe, zart-bittere Geschmack des Bieres ausgezeichnet, sei es zu einer herrlich duftenden Bernerplatte, zu kaltem Aufschnitt oder zu einem währschaften Käsegericht. Jeder, der etwas vom Essen versteht, weiss, dass Bier den Appetit für rezente Speisen anregt und gleichzeitig den unvermeidlichen Durst löscht. Und wenn in später Abendstunde beim gemütlichen Zusammensein heisse Würstchen aufgetischt werden, dann braucht man kein Gedankenleser zu sein, um zu erraten, dass Bier dazu von der Mehrzahl der Gäste bevorzugt wird. Im Gegensatz zu einer häufig gehörten Ansicht, passt aber nicht nur zu allen Fleischgerichten, sondern auch zu Fisch, was zum Beispiel die Dänen schon lange gemerkt haben.
Wegen des niedrigen Alkoholgehaltes und seiner erfrischenden Kohlensäure besitzt der harmlose Durstlöscher Bier auch die Gunst der Damen. Tatsächlich ist der Biergenuss längst nicht mehr nur den Männern vorbehalten.

Wissen Sie was Paradox ist?
Paradox ist es zum Beispiel, dass das Bier von vielen als ausgezeichneter Schlummertrunk geschätzt wird, und dass es gleichzeitig stimulierend, das heisst anregend wirken kann. Wenn Sie Durst haben oder etwas schlapp sind, trinken Sie gerne ein Glas Bier, denn Bier erquickt das Gemüt und belebt! Abends hingegen fördert der Schlummerbecher den Schlaf. Nicht von ungefähr sprechen wir oft von der Bierruhe.
Diese Doppelwirkung bedeutet nun nicht etwa, dass unser Bier ein unheimlicher, widerspruchsvoller Zaubertrunk ist. Nein, die Erklärung ist vielmehr folgende:
Bier wirkt entspannend, es löst – hauptsächlich dank der Hopfenbitterstoffe – die Verkrampfung, der wir Schweizer ja besonders unterworfen sind. Die im Bier enthaltene Kohlensäure belebt und regt an: Da liegt der Haas im Pfeffer, beziehungsweise das Paradox im Bier. Entspannung heisst beides: Anregung und Belebung des Tags – gesunde Disposition zum Einschlafen des Nachts.
Die Amerikaner haben ja aus der Entspannung (relax) eine ganze Wissenschaft gemacht und unzählige Wege ersonnen, diese so erstrebenswerte, heute immer ferner gerückte Entspannung wieder zu gewinnen. Bier ist jedenfalls ein wirksames und harmloses Entspannungsmittel.

1958: Adolf Walker-Bartenstein, Verwaltungsrat, Uster, 3. Juni 1958 †
Am 3. Juni starb in Uster Adolf Walker-Bartenstein, Verwaltungsrat der Brauerei P. Bartenstein AG. Der Verstorbene wurde 1892 in Solothurn geboren. Nach Besuch der Solothurner Schulen und des Gymnasiums bildete er sich am Technikum in Burgdorf zum Chemiker aus. Hernach trat er in die Dienste der Seifenfabrik Stolz & Kambly in Uster. Hier lernte er seine zukünftige Frau Olga Bartenstein kennen. Nach einer Auslandausbildung im Brauereifach trat er 1920 in die Brauerei P. Bartenstein AG ein. Hier oblagen ihm vor allem der technische Sektor und die bauliche und technische Erneuerung des Betriebes. In seiner Stellung verstand er es besonders, mit der Belegschaft ein menschlich schönes Verhältnis zu schaffen. Vor fünf Jahren zeigte sich der Beginn einer schweren Krankheit an, die durch Operationen vorerst gebannt werden konnte, sich aber dann leider wieder bemerkbar machte, so dass er Ende 1957 aus dem Geschäft zurücktrat. Sein ihm eigener Humor half ihm, die schweren Jahre der Krankheit mit Geduld zu ertragen. Adolf Walker war es nicht vergönnt, seinen Ruhestand zu geniessen. Alle, die ihn kannten, werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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1961: Schuldanerkennung und Bierbezugsvertrag
Brauerei Uster P. Bartenstein AG., Uster, Schuldanerkennung per Fr. 16‘000.- (Sechszehntausend) und Bierbezugsvertrag mit Herrn Armin Alchenberger, Restaurant Greifenberg, Neuthal-Bauma.

  1. Die Brauerei Uster erklärt sich bereit den im dritten Rang stehenden Schuldbrief von Fr. 16‘000.-, Vorgang bisher Fr. 47‘500.-, neu Fr. 80‘000.- lautend auf Liegenschaft Restaurant Greifenberg, Neuthal-Bauma zu übernehmen. Die Auszahlung erfolgt mit der Vertragsunterzeichnung noch heute an die Spar- und Leihkasse Schmerikon für Rechnung des Eigentümers Herrn Fleischmann. Diese Schuld ist ab 1.3.61 halbjährlich zu 4% zu verzinsen (bei nicht pünktlicher Zinszahlung zu 4,5%) und auf eine beiden Teilen täglich freistehende halbjährliche Kündigung hin zurück zu bezahlen.
  2. Der Schuldner verpflichtet sich für sich und seine evtl. Nachfolger, die in seinem Hause Restaurant Greifenberg, Neuthal-Bauma eingerichtete Wirtschaft etc. ununterbrochen als solche zu betreiben oder betreiben zu lassen, in derselben jederzeit offenes Bier zu halten und zu verabfolgen sowie seinen ganzen Bierbedarf auf seiner Liegenschaft Restaurant Greifenberg, Neuthal-Bauma und über die Gasse etc. ausschliesslich aus der Brauerei Uster P. Bartenstein AG. oder bei deren Nachfolger zu den Konditionen des Schweiz. Bierbrauervereins, mindestens vom 28. Februar 1961 bis 31. Dezember 1971 (Eintausendneunhunderteinundsiebzig) zu beziehen oder beziehen zu lassen, resp. zu verkaufen oder verkaufen zu lassen. Er verpflichtet sich insbesondere auch, mit den Behörden weder Verhandlungen aufzunehmen, noch eine Vereinbarung zu treffen über die dauernde Schliessung der Wirtschaft, ohne sich vorher mit der Brauerei Uster verständigt zu haben. Bei allfälliger Preiserhöhung der Rohprodukte, Arbeitslöhne etc. steht der Brauerei Uster das Recht zu, den Bierpreis in entsprechender und erforderlicher Weise zu erhöhen. Falls das Kapital mit Zins nach Ablauf bezeichneter Frist noch nicht gänzlich zurückbezahlt wäre, bleibt dieser Vertrag mit der vorgeschriebenen Bierbezugsverpflichtung, also in allen Teilen bis zur gänzlichen Tilgung der Schuld aufrecht. Nur wenn die Gläubigerin, Brauerei Uster P. Bartenstein AG., vom Kündigungsrecht Gebrauch macht, ohne durch eine Vertragsverletzung seitens des Schuldners dazu veranlasst worden zu sein, und wenn das Kapital mit Zins infolgedessen vor Ablauf der bezeichneten Zeit zurückbezahlt würde, hört die Bierbezugsverpflichtung seitens des Schuldners mit dem Momente der Rückzahlung auf. Der Gläubigerin steht dagegen auch das Recht zu, bei Veränderungen der allgemeinen Verhältnisse auf dem Geldmarkt den Zinsfuss für das Kapital entsprechend zu erhöhen, ohne Einfluss auf die vereinbarte Vertragsdauer.
    Eine Briefkündigung seitens des Schuldners und Zahlung des Kapitals infolge dieser Kündigung hat keinen Einfluss auf die Bierbezugsverpflichtung, und das gleiche gilt seitens der Gläubigerin bei einer Kündigung von demselben, falls dieselben durch einem Vertragsbruch des Schuldners (unpünktliche Bezahlung der Bierrechnungen, unpünktliche Verzinsung irgendeines Kapitals auf dem Pfandobjekte, nicht allseitige Einhaltung des vorgeschriebenen Bierbezug etc.) veranlasst worden wäre.Falls die vorgeschriebene Bierbezugsverpflichtung nicht pünktlich eingehalten würde, so hätte der Schuldner an die Brauerei Uster P. Bartenstein AG. Für jeden noch nicht abgelaufenen Monat des Vertragsverhältnisses eine Konventionalstrafe zu bezahlen von Franken 500.- (Fünfhundert) bei Vertragsbruch sofort zu bezahlen.
  1. Sollte der Schuldner die Liegenschaft verkaufen, vermieten oder wie immer betreiben lassen, so hat jeder Nachfolger diese Verbindlichkeit auch zu erfüllen, wofür der Schuldner jede Garantie zur Einhaltung dieses Vertrages übernimmt. Er haftet insbesondere auch für gänzliche Einbringlichkeit des Darlehens samt Zins etc., bis zur völligen Rückzahlung desselben, unbeschadet der Bestimmung des Art. 832 ff. ZGB. Bei Vermeidung der gleichen Konventionalstrafe darf ohne ausdrückliche Einwilligung und allseitige Verständigung mit der Kreditorschaft das Wirtschaftspatent des Pfandobjektes weder verkauft noch aus irgendwelchen Gründen weggenommen werden.
  1. In folgenden Fällen ist das Kapital auf Verlangen der Gläubigerin ohne Kündigung sofort zur Rückzahlung fällig:
    Bei Einstellung des Wirtschaftsbetriebes, bei Verkauf des Pfandobjektes und nicht pünktlicher Verzinsung eines Kapitals auf demselben, bei nicht pünktlicher Bezahlung der Bierrechnungen, bei nicht pünktlicher Einhaltung des Bierbezuges und bei jedem Vertragsbruch überhaupt, wie auch bei beabsichtigter oder bereits erfolgter Übertragung, Verkauf etc. des Wirtschaftspatentes. Wenn ein allfälliger Erwerber der verpfändeten Liegenschaft etc. in das bestehende Vertragsverhältnis nicht eintritt, so ist das Gesamtguthaben auf Verlangen des Kreditors auf diesem Schuldbrief bei der notariellen Fertigung des Verkaufs der Unterpfande bar zu bezahlen und ebenso, falls der Eintritt des Erwerbers der Kreditorschaft nicht konveniert.

Herr Armin Alchenberger erklärt sich bereit nach Möglichkeit den Resano-Traubensaft zu führen sowie die Z.O.O. Produkte Süssmost, Sprudel und Nendaz.
Neuthal-Bauma, 28. Februar 1961 A. Alchenberger

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1961: Die Brauereien als Liegenschaftskäufer oder Kreditgeber
Die sicherste, aber sehr teure Verfahren, seinen Bierabsatz zu sichern, bestand im Ankauf einer Immobilien. Als Besitzer konnte die Brauerei vorschreiben, dass ihr eigenes Bier in der Wirtschaft ausgeschenkt werde. Allerdings mussten zur Abschreibung der Kapitalanlage meist neben Bier auch Wein und andere alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, um erstens jeden Wunsch der Gäste zu befriedigen und damit auch den erforderlichen Umsatz zu erzielen.
Eine abgeschwächte Form ergab sich bei Gasthausbesitzer, die wenig kapitalisiert waren. Man ermöglichte ihnen ein Darlehen und als Gegenleistung wurde ein exklusiver Bierliefervertrag mit dem Besitzer abgeschlossen. Die Kredite wurden nicht nach den Vorgaben einer Bank, nicht mit umfassender Risikoabschätzung abgewickelt, sondern nach Überlegungen des möglichen Bierabsatzes. Es erstaunt nicht, dass viele Wirte bei der Rückzahlung des Kredits oder bei der Zinszahlung in Schwierigkeiten gerieten. Die Brauereien verhielten unterschiedlich. Einige behielten sich die erzielte Rückvergütung an den Wirt, die vertraglich fixierte Rückerstattung bei Erreichen einer gewissen Bierabsatzmenge zurück, um des Kredits zu bedienen. Andere beschafften sich beim Wirt mit Heu oder Lebensmittel zur Abzahlung des Kredits. Bei massiven Zahlungsschwierigkeiten mussten sich die Brauereien überlegen, ob sie den Absatzort aufgeben oder noch mehr Kapital in ein dürftig rentierendes Wirtshaus investieren sollten. Meistens entschlossen sich die Brauereien, das Anwesen zu kaufen, allerdings meist zu überhöhten Preisen, weil die Immobilienhändler vom Verdrängungswettkampf unter den Brauereien wussten. Auch gab es Wirte die diesen Zustand ausnutzten. Bei Renovierungen oder beim Kauf einer Gaststätte fragte man alle Brauereien an und schloss schliesslich mit dem Meistbietenden einen Biervertrag ab.
Ein Absurdum des Konkurrenzkampfes trieb es um das Jahr 1920. Da Vertreter der Brauerei Wädenswil eine Absatzstelle in Zürich gleich gegenüber der Brauerei am Uetliberg ausfindig gemacht hatten, die dringend Geld benötigte. Die Brauerei Wädenswil bewilligte nach Abschluss eines Bierliefervertrags einen grossen Kredit und brachte stolz das Schild ihrer Brauerei an der “Sonnenzeit“ an, um die Stadtzürcher Konkurrenz zu ärgern. Nur kurze Zeit später wurde auch in Wädenswil gleich gegenüber der hiesigen Brauerei bei der “Morgensonne“ das Brauereischild der Brauerei Uetliberg angebracht. Die Vertreter der Brauerei Uetliberg waren genau gleich vorgegangen. Die beiden Brauereien einigten sich etwas später, aus Kostengründen doch vernünftiger wieder ihre angestammten Wirte zu beliefern. Jedoch hatten nun beide ein grosses und risikoreiches Darlehen in ihrer Buchhaltung.

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1964: Der rostige Aabach
Ein Ereignis mit Schrecken ergab sich zur Zeit der Landesausstellung 1964 in Lausanne. Damit die Belegschaft inklusiv dem Maschinist die «Landi» besuchen konnte, blieb der Braumeister Karl Mösch alleine am Samstag in der Brauerei Uster zurück. Er setzte die Maschinen in Betrieb. Als er um 9.00 Uhr einen Kontrollgang machte, war der ganze Zylinder der Kältemaschine vereist. Er stellte die Maschinen ab, kontrollierte alle Leitungen, fand aber keine Ursache. Da Karl Mösch keinen Anlass sah, die Stilllegung weiter aufrechtzuerhalten, stellte er die Maschinen wieder an, mit dem Resultat, dass bald dieselben Erscheinungen auftraten. Als er darauf den Generator überprüfte, stellte er fest, dass die gesamte Sole ausgelaufen war. Karl Mösch eilte hinaus und beobachtete mit Schrecken, dass eine rostige Fahne den Aabach hinunterzog. Auf jeden Fall holte er die Maschinisten um Mitternacht am Bahnhof ab und nach 24-stündiger Arbeit konnten die Maschinen wieder in Betrieb genommen werden. Es stellte sich heraus, dass eine Soleleitung im Schacht geplatzt war. Glücklicherweise sind die Gewässer damals noch nicht so scharf beobachtet worden, so hatte die Angelegenheit keine schlimmen Folgen gehabt.

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1964: Karl Mösch der letzte Braumeister des Uster-Bräu
Viel beigetragen zum guten Ruf des Bieres aus Uster hat Karl Mösch. Er begann als Lehrling bei der Brauerei Salmenbräu in Rheinfelden, wo er das Brauerhandwerk gründlich und umfassend lernte. Nach der Lehr- und Wanderjahre, die den jungen Bierbrauer in zehn verschiedene Betriebe im In- und Ausland führte, kam Karl Mösch 1956 als Braumeister nach Uster.
Fast als erstes liess der neue Braumeister die Wasserentkalkungsanlage sanieren und erreichte damit eine erste Qualitätssteigerung. Regelmässig hat er Proben in die Versuchsstation der Schweizer Brauereien nach Zürich gesendet, um die Qualität seines Bieres prüfen zu lassen. Zudem lies er zwei- bis dreimal im Jahr, zu seiner persönlicher Sicherheit, eine Betriebskontrolle anordnen. Es lag die Verantwortung für die gesamte Produktion in den Händen von Karl Mösch. Durch die wesentlich verbesserte Qualität des Bieres verdoppelte sich der Bierausstoss in seiner Zeit von ursprünglich 20‘000 hl im Jahr 1956 auf gute 40‘000 hl im Jahre 1969.
Er hat Bier in der klassischen Form gebraut, mit Gefühl und klarer Überzeugung und nicht nach der «Brauereibibel». Er hat sich immer voll mit seinem Produkt identifiziert. In den 23 Jahren seines Wirkens wurde das Uster-Bräu zum allseits geschätzten Bier, dem heute noch viele
nachtrauern. So prostete man einander zu: «Uster-Bräu, unerreicht föifi gsoffe, siebni gseicht».

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1964: Ein Arbeitstag als Braumeister
Der Arbeitstag des Braumeisters Karl Mösch begann eigentlich am Abend zuvor. Da musste der Arbeitsablauf für den nächsten Tag vorbereitet werden, denn der Braumeister war für mehr als dreissig Mitarbeitende im Produktionsbereich verantwortlich. Während eines Arbeitstages war Karl Mösch in allen Brauereibereichen anzutreffen, und wenn immer nötig legte er selber Hand an. Seinen Rundgang begann er morgens um halb sieben Uhr für gewöhnlich im Gärkeller, um die zu fassenden Biere zu kontrollieren. Er gab Anweisungen, was geschlaucht werden sollte und bestimmte das Bier, das in den Lagerkeller musste. Anschliessend nahm der Braumeister im Filtrationsbereich den Kieselguhrfilter in Betrieb, der die Klarheit des Bieres gewährleistete. In der Flaschen- und Fassabfüllerei machte er eine Aufstellung der Anzahl der abzufüllenden Gebinde und kontrollierte die vielen Arbeitsgänge: die Geschirraufgabe, das Erlesen der Flaschen, die Flaschenreinigung, das Abfüllen, das Ausleuchten, die Kontrolle der Verschlüsse, das Einpacken und Stapeln der Harasse. Nach der ständigen Zirkulation im Betrieb war es Zeit, ins Labor zu gehen, wo der Braumeister selber die biologische Kontrolle des abgefüllten Bieres vornahm. Er prüfte die Haltbarkeit und führte die Membranfiltrationen von Wasser, Bier und Würze durch. Anschliessend war die Büroarbeit an der Reihe: Rapporte verarbeiten und dann wieder die Arbeitsvorbereitung für den nächsten Tag. Je nach Jahreszeit wurden vier bis sechs Sude pro Woche gebraut, und ein Arbeitstag von Karl Mösch konnte 12 bis 16 Stunden dauern, auch am Wochenende war er regelmässig im Einsatz.

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1964: Erinnerungen an die Lehre als Bierbrauer
Früher brauchte es viel Fachwissen, grosse Erfahrung und den Einsatz aller Sinne, um ein gutes Bier zu brauen. Angefangen in der Mälzerei, wo die gekeimte Gerste mit viel Erfahrung zu einem guten Malz gedarrt wurde. Beim eigentlichen Brauen wird das geschrotete Malz mit Wasser zur Maische gerührt, dann geläutert und schliesslich in der Würzpfanne unter Zugabe von Hopfen gekocht. In Gärbottichen und später im Lagerkeller wird dann aus dem Gebräu nach und nach ein frisch schäumendes, erfrischendes Bier.
Heute sind die Produktionsprozesse automatisiert, der Computer ersetzt die Augen, den Geschmacks- und Geruchsinn des Braumeisters. Die Lehre als Bierbrauer stellte harte Anforderungen: Nicht nur mussten schwere Säcke mit Gersten geschleppt und grosse Fässer verladen werden, den wendigen Lehrlingen kam auch die Aufgabe zu, die riesigen Lagerfässer mit Handbürsten und Schaber zu reinigen, auch im Innern natürlich, im Licht einer Kerze.
Ohne Gummistiefel, im Lagerkeller, wo das Eiswasser von den Kühlleitungen tropfte, sei das eine enorm nasse und harte Arbeit gewesen. Alle zwei Jahre wurden die 40 bis 60 hl fassenden Holzfässer ins Freie geschleppt und innen neu mit Pech ausgestrichen, «gepicht». Dann seien die
Küfer gekommen und hätten im Viertackt die Reifen neu befestigt. Diese «Musik» der Hammer
schläge habe bei einer Brauerei zur Herbstzeit gehört wie der Hopfen zum Bier.

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1965: Ein neues Bier aus einem neuen Sudhaus
Eine Reportage des “Anzeiger von Uster“ vom Samstag den 10. Juli 1965.
Vor einigen Wochen hat die Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, ein neues Bier herausgebracht: das helle Starkbier. Es hat sofort viele Freunde gefunden, weil es fein und kräftig zugleich ist, wie man schon beim ersten Schluck bemerkt. Bei den Brauereien geht es nicht zu und her wie bei Suppen-, Schokolade- oder Zigarettenfabrikanten, wo häufig “Neuerscheinungen“ auf den Markt gebraucht werden: dazu wären die Voraussetzungen beider Bierherstellung in verschiedener Hinsicht nicht gegeben. Die Fabrikation eines neuen Bieres ist darum fast eine “säkulare“ Angelegenheit. Bei der Brauerei Uster wurde sie jetzt möglich im Zusammenhang mit dem gründlichen Umbau und der sozusagen völligen Erneuerung der Betriebsanlagen im Sudhaus mit den dazu gehörenden Teilen der Brauerei. Deren Geschäftsleitung von Peter Bartenstein und seinem Sohn Urs-Peter betreut wird. Die Brauerei Uster, früher ein Kleinbetrieb, steht heute mit ihrem Ausstoss von den 59 Brauereien der Schweiz an mittlerer Stelle, nicht zuletzt dank der guten Qualität ihres Bieres, der man schon immer grosse Aufmerksamkeit geschenkt hat. Erfreulich ist es, wenn sich ein etwa 50 Beschäftigte zählender Familienbetrieb wie die Brauerei Uster nicht nur halten, sondern langsam, aber stetig sich weiter entwickeln konnte.
Davon möchten wir heute unseren Leserinnen und Lesern etwas berichten in der Meinung, ihnen auch sonst etwas Einblick zu gewähren in die Herstellung eines wichtigen Getränkes in der einzigen Brauerei des Zürcher Oberlandes, der Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, die man zum Ausbau und zur Modernisierung ihres Betriebes sowie zu ihrem neusten Produkt nur beglückwünschen kann, am besten wohl gleich mit dem Wahlspruch der Brauer: Hopfen und Malz, Gott erhalt’s! In Gesellschaft trinken wir gerne das rassige BB-Starkbier (mit dem Familienwappen), besonders kräftig und vollmundig. Beliebt auch bei Damen, das Bier für Partys, den Familienkreis, Radiohören und Fernseher und ganz speziell als Schlummertrunk.

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Anmerkung: In den 1960er Jahren war es zu einem Bier trinken gehen unter jungen Männern im Zürcher Oberland gang und gäbe: „Gehen wir noch kurz ein BB trinken?!“ Es war damals eine Anspielung an die französische BB. An das Sexsymbol und die Schauspielerin Brigitte Bardot.
Die Architekten Farner & Grunder, Industriearchitekten aus Zürich, berichten von einem bedeutenden Umbau in der Brauerei Uster. Unsere Bauaufgabe enthielt als wichtigste Bedingung, dass die neue Anlage im bestehenden Sudhaus unterzubringen war und bis auf die Umstellung von den alten auf die neuen Einrichtungen während der Bauzeit der Sudhausbetrieb voll aufrecht erhalten werden musste. Diese Auflagen brachten den Architekten und Ingenieuren Probleme ausserordentlicher Art und der Bauherrschaft in betrieblicher Hinsicht oft kaum mehr erträgliche Arbeitsbedingungen. Zudem fiel der Umbau grösstenteils in die Zeit eines strengen Winters, und es ist mehr als einmal vorgekommen, dass vor dem Sudbeginn die Leitungen aufgetaut werden mussten.
Der Umbau umfasste die folgenden Abschnitte: 1. Neues Kellergeschoss mit Grundwasserisolierung und Verstärkung der bestehenden äusseren Fundamente. 2. Das eigentliche Sudhaus im Parterre mit einer neuen grossflächigen Fassadenlösung. 3. Drei neue Obergeschosse zur Aufnahme der Malzschroterei, der Warmwassertanks und der flächenmässig zur Hälfte über diese drei Geschosse reichenden Malzsilos. 4. Einbau eines neuen Treppenhauses mit einem Personenlift. 5. Neues Kühlschiffdach.

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Wie schon erwähnt, musste der Baufortschritt so disponiert werden, dass die bestehende Sudanlage immer betriebsfähig war. Somit mussten zuerst die Konstruktionen über und unter dem alten Sudraum erstellt werden. Die Decken über dem Sudraum konnte mit Rücksicht auf bestehende Tanks und maschinelle Einrichtung nur in Etappen erstellt werden. Es war deshalb unumgänglich, über dem Sudhaustrakt ein Notdach zu erstellen.
Ganz beträchtliche Vorbereitungen erforderten die Fassadenänderungen. Einerseits bestand der Wunsch der Bauherrschaft nach einer möglichst grosszügigen Fensterlösung, die von aussen einen guten Einblick in den Sudraum gewährt, und anderseits mussten durch diese neuen Öffnungen der Läuterbottich und die Pfanne eingebracht werden können. Für die Abfangung des fast 20 m hohen massiv gebauten Gebäudes waren umfangreiche Spriessungen notwendig.
In einer letzten Bauetappe wurde das Betondach über dem Kühlschiff erstellt. Vor allem dieser Bauabschnitt war an sehr kurze Termine gebunden, da während dieser Zeit der Sudbetrieb stillgelegt werden musste. Ausser den Bauarbeiten in diesem Bauabschnitt wurde auch noch das Kühlschiff gehoben, wofür wiederum komplizierte Hebevorrichtungen notwendig wurden. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, welche überaus leistungsfähigen Hilfsmittel in der Form von fahrbaren Kränen dem neuzeitlichen Baubetrieb zur Verfügung stehen. Gerade bei diesem komplizierten Umbau wären gewisse konstruktive Lösungen und Maschinenmontagen ohne diese Autokräne kaum möglich gewesen oder wären sicher mit wesentlich höheren Kosten und einer längeren Bauzeit verbunden gewesen.

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Weil in einer Brauerei das Sudhaus eigentlich die Visitenkarte eines sauberen Betriebes ist, wurde für dessen Ausbau besondere Sorgfalt verwendet. Die Wände sind mit einem dunklen italienischen Marmor verkleidet, und der Boden ist mit einem gelblichen Natursteinmosaik ausgelegt. Diese Materialien geben den spiegelblanken Kupferpfannen und dem Schaltpult den würdigen Rahmen, wobei der Raum bei künstlicher Beleuchtung besonders zur Geltung kommt.
Der Bau des reichen Gebäudekomplexes der Brauerei Uster beherbergt den Hauptteil der Bierherstellung. Das Haus wurde praktisch völlig ausgehöhlt, um die neuen Einrichtungen unterzubringen. Die Erhöhung des obersten Geschosses ist beim Backsteinmauerwerk gut zu erkennen. Darüber befindet sich der betonierte Raum für das gehobene Kühlschiff. Breitseits ist der neue Eingang zum Sudhaus mit den beiden neuen Kesseln (Sudpfanne und Läuterbottich). Längsseits rechts vom ehemaligen Haupteingang befindet sich das Maschinenhaus mit der von Besuchern oft bestaunten Dampfmaschine. Hinter der Fassade, von oben nach unten: Malzputzerei und Warmwasserversorgung des Sudhauses – Malzschrotmühle – Schrotbehälter und Warmwasserversorgung des gesamten Betriebes – Sudhaus, Vorderseite, mit Hauskante: durchgehende Silos für den laufenden Bedarf, etwa 150 Tonnen fassend. Längsseits, hinterer Teil, von oben nach unten: neu aufgebauter Raum für das Kühlschiff, Zentrifugen und Hopfenlagerraum – über zwei Stockwerke Wasserenthärtung – Maschinenzentrale (Kühl- und Luftkompressoren).
Das neue Sudhaus ist nicht nur das Herz des umgestalteten Fabrikationsgebäudes, sondern der Brauerei überhaupt. Auf seine Ausstattung wurde darum besonderes Gewicht gelegt. So ist ein Raum entstanden, der nicht nur zweckmässig, sondern auch sehr schön ist im Zusammenklang von Materialien und Farben. Das Spiel des Lichtes im Marmor und auf den runden Formen des Kupfers ist nachts beim Kunstlicht besonders reizvoll. Selbstverständlich ist der Raum aber nicht darum blitzblank gehalten, sondern aus Gründen der Hygiene, auf die in der Brauerei überall Gewicht gelegt wird.

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Betritt man das Sudhaus, sticht jeder Mann gleich die Sudpfanne und dahinter der Läuterbottich ins Auge. Beide bestehen aus Kupferblech, auf Hochglanz poliert. Die Abzugsrohre führen über das Dach hinaus. Die Wände sind mit dunkelgrünem Bergamasker Marmor verkleidet, während der Boden aus einem gelblichen Natursteinmosaik besteht. Breitseits ist die übersichtliche Schaltanlage eingelassen und mit dem vorstehenden Mischpult für das Sudhaus und sämtliche Maschinen in den oberen Geschossen zuständig. Der grosse leere Platz im Sudhaus ist die Reserve für zwei weitere Kessel, obwohl die neuen Pfannen mehr als doppelt so gross sind wie die alten und mancherlei technische Verbesserungen aufweisen, um die Leistungsfähigkeit zu steigern. So, durch schnellere Aufheizung, intensiveres Kochen, schnelleres Abläutern usw.
Bei den pneumatisch gesteuerten Siloausläufen befindet sich auch der Schrotkasten zur Aufnahme des Mahlgutes. Das Malz wird durch das Gebläse auf die oberste Etage zur Malzputzmaschine befördert.

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Bei der Malzschrotmühle im Kanal darüber befindet sich die automatische Waage. Neben der Mühle ist der Ventilator für die Entstaubung der Luft. Über der ganzen Breite des Raums, befinden sich die Silos für den laufenden Bedarf.
In der Mitte des Technikraum steht die Malzputzmaschine und gleich rechts daneben ein Teil der Wasserversorgung für das Sudhaus. Auch gehen vorne und hinten die beiden Abzugsrohre für das Sudhaus durch den Raum.
Im Antriebsraum des Sudhauses wird der Hopfen gepresst und einwandfrei beseitigt.

1969: Schweizerische Brauerei-Rundschau, Mai 1969
Brauerei Uster P. Bartenstein AG, Uster, 8610 Uster, Brauereistrasse 11, Telephon 051 96 90 82.
Im Jahre 1887 übernahmen vier Brüder Bartenstein den von J. Georg Stahels Erben geführten Brauereikleinbetrieb. 1906 ging das Geschäft in den in den alleinigen Besitz von Peter Bartenstein-Guyer über. Nach seinem Tode, 1929, erfolgte die Umwandlung in eine Familienaktiengesellschaft unter der Leitung von Peter Bartenstein-Forster.
Uster, eine Stadt von 22 000 Einwohnern, befindet sich 20 km von Zürich entfernt. Die Brauerei selbst ist in wenigen Minuten vom Stadtzentrum aus zu erreichen und liegt an einem ruhigen, bewaldeten Hügel. Es sind auf längere Sicht genügend Landreserven vorhanden. Aus kleinen Anfängen hat sich die Brauerei Uster zum schweizerischen Mittelbetrieb vergrössert. Der Ausbau erfolgte Schrittweise, wobei Anlagen und Einrichtungen den Ansprüchen der heutigen Zeit entsprechen.

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Die Malzlagerkapazität beträgt 800 t, gelagert in einem 1933 erbauten Silo und den 1962 ergänzten Verbrauchersilos. In den Jahren 1962 bis 1964 wurden komplett erneuert: Malzputzerei und Malz-schroterei (Gebr. Bühler, Uzwil); Zwei-Geräte-Sudhaus mit einer Schüttung von 3000 kg der Firma Huppmann, Kitzingen; sowie den notwendigen Nebenanlagen wie Heisswasserversorgung, teilweise Kaltwasserversorgung mit den entsprechenden Pumpenaggregaten, Trebersilo, Luftkompressoren und den für eine solche Anlage erforderlichen Steuer- und Schaltanlagen. – Vorgängig wurden im Jahre 1959 zwei Siller & Jamart-Umlaufkessel mit einer Heizfläche von 80 m2 und einer Dauerleistung von je 3200 kg/h Dampf aufgestellt. – Die Kühlung der Würze erfolgt mittels Kühlschiff, Plattenkühler und Zentrifugen. Der Gärkeller umfasst 11 emaillierte Gärbottiche mit einer Gesamtkapazität von 1890 hl. Die Kühlung der Gärbottiche erfolgt mittels Süsswasser. In drei Lagerkellern können gegen 9000 hl Bier gelagert werden. Die Beschaffenheit der Lagertanks ist verschiedenartig. Die Filtration des Bieres erfolgt mittels Kieselgurfilter sowie anschliessendem Schichtenfilter, wobei durch Photometer eine ständige Kontrolle des filtrierten Bieres gewährleistet ist. Der Drucktankkeller hat eine Kapazität von 280 hl und ist mit 5 modernen V4A-Tanks bestückt.
Die Fassfüllung erfolgt mittels eines älteren Enzinger-Fassfüllers, der seit dem ständigen Rückgang des Fassbieres den Anforderungen genügt. Es können auf diesem Fassfüller aber auch moderne V2A-Getränketanks abgefüllt werden. – Die Flaschenabfüllerei hat eine Kapazität von 6500 bis 7000 grossen Flaschen. Flaschenreinigungsmaschine (Winterwerb & Streng), Füller (Kumag, Zürich), Flaschenpasteur (Sander Hansen), Etikettiermaschine (Jagenberg), Kistenwaschanlage und Stapelautomat (Kumag, Zürich). Über 50 % der Abfüllungen erfolgen nur noch in Kronkorkflaschen, und die Brauerei Uster ist bestrebt, in einigen Jahren die Bügelflaschen gänzlich aus dem Sortiment zu streichen. Im Übrigen wird in einigen Jahren die Umstellung auf Plastikharasse bewerkstelligt sein. – Der Neubau einer Flaschenabfüllerei ist in nächster Zukunft geplant. Kürzlich konnte als erste Bauetappe eine grosse Leer- und Vollguthalle in Betrieb genommen werden.
Uster-Bräu wird hauptsächlich im Zürcher Oberland verkauft, etwa 50 % des Umsatzes über Depots. Diese befinden sich in Hittnau, Bauma, Rüti, Wald, jedoch auch in Zürich, Winterthur, Uznach und Niederurnen. Als Schutzmarken gelangen in den Handel: Uster-Bräu Lager (hell und dunkel), Uster-Spezial (hell und dunkel), BB-Starkbier (hell und dunkel). – In Anpassung an die Zeitverhältnisse wurden auch der Traubensaft Resano auf den Markt gebracht, und zusätzlich werden über eine Schwesterfirma alkoholfreie Obstsaftgetränke sowie in Lizenz oder als Importeur Florida Boy Orange und San Pellegrino-Produkte in das Verkaufsprogramm aufgenommen und durch eine Vertriebsorganisation von über 150 Depothaltern verkauft.
Geschäftsleitung: Peter Bartenstein-Forster, Urs Peter Bartenstein jun. und Karl Mösch, Braumeister. – Aktienkapital 600 000 Franken.
Personelles: Fritz Steinemann SBR Jg. 67 S. 38 (3.1956); A. Walker-Bartenstein SBR Jg. 69 S. 119 (7.1958); Peter Bartenstein SBR Jg. 77 S. 377 (7.1966).

1977: Von Hürlimann gekauft und als Konkurrent ausgeschaltet
In den weiteren 70er Jahren – nach dem Tod von Peter Bartenstein-Forster 1970 war dessen Sohn Urs Peter Bartenstein Delegierter des Verwaltungsrates geworden – war der Verkauf dann allerdings rückläufig, weshalb auch die Produktionsmenge reduziert wurde, bis auf rund 34‘000 hl pro Jahr. Und schliesslich kam, einen Tag vor den Weihnachtsfeiertagen 1977, das Aus. Es wurde bekannt gegeben, dass sämtliche Aktien per 1. Januar 1978 von der Zürcher Grossbrauerei Hürlimann übernommen würden. Gleichzeitig machte die neue Besitzerin klar, dass sie die Bierproduktion in Uster so schnell wie möglich einstellen werde. Auf diese Weise konnte die Brauerei Hürlimann nämlich einen bisherigen Konkurrenten ausschalten und auf einen Schlag in den über 200 Wirtschaften, in denen bis dahin Uster Bräu aus dem Zapfhahn geflossen war, Hürlimann Bier ausschenken.

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Schon im Herbst 1977 meldete die Presse den bevorstehenden Verkauf der Brauerei Uster. Den Verkaufsentscheid begründete die Brauerei Uster damit, dass im zu jener Zeit erneut aktuellen Verdrängungswettbewerb und Konzentrationsprozess mittlere und kleinere Brauereien mit ihren hohen Produktionskosten nicht mithalten konnten. Schwerer als die «Grossen» hatten es kleine und mittlere Betriebe aber auch beim der Vermarktung und bei der Logistik. Dass die Brauerei Uster kurioserweise selbst im Tessin, in Roveredo, ein Lokal mit Uster Bräu belieferte, ging nur, weil sie auch San Pellegrino importierten und die entsprechenden Lastwagen hinterher, eh wieder Richtung Süden fuhren. Dennoch sind der Verkauf und die Stilllegung für die Belegschaft, damals über 30 Mitarbeitende, völlig überraschend gekommen, gerade weil der Betrieb technisch in den letzten 15 Jahren auf einen Höchststand gebracht worden ist. Der letzte Brauvorgang in Uster fand dann am 15. März 1978 statt.
Zwei Jahre später wurde auch die vormaligen Tochtergesellschaften «Biwag AG» und «Z.O.O.»Zürcher Oberland Obst und Getränke AG an die Brauerei Hürlimann verkauft. Bei der Biwag, was übrigens die Abkürzung für Bier und Wasser AG ist, handelt es sich um die ursprüngliche Getränkehandlung Adolf Inderbitzin und Söhne in Niederuster, die man 1972 übernommen hatte und für die man später an der Brauereistrasse weitere Neubauten, diesmal aus Beton, erstellte. Dort wo sich die Bauten der Biwag erstrecken, waren einst die Pferdestalllungen für die hauseigenen Brauereipferde und später die Garagen für die Auslieferungslastwagen gestanden.

1977: Schreiben zur Kenntnis an die Kundschaft, 22. Dezember 1977
Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, Zürich und Uster, 22. Dezember 1977.

Sehr geehrte Kundin, Sehr geehrter Kunde,
Die Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, Uster, und die Brauerei A. Hürlimann AG, Zürich, haben am 22. Dezember 1977 folgendes vertraglich beschlossen:
Auf Jahresende 1977 werden die Aktien der Brauerei Uster durch die Brauerei Hürlimann übernommen. Die Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, bleibt als Rechtspersönlichkeit bestehen. Der spätere Firmenzweck wird im Handel und Verteilen von Bier und alkoholfreien Getränken bestehen. Leiter dieses Lager- und Auslieferungsbetriebes bleibt Herr Urs P. Bartenstein. Er hat von den Aktionären der bisherigen Brauerei Uster die Tochtergesellschaft Biwag Getränke AG und Z.O.O. Zürcher Oberland Obst und Getränke AG, käuflich erworben. Herr Urs P. Bartenstein wird diese Betriebe auf eigene Rechnung weiterführen.
In Uster wird vorläufig weiter Bier gebraut, mit gleicher Sorgfalt und Liebe wie bisher. Sie werden vom gleichen Vertreter betreut wie bisher, der gleiche Chauffeur wird Ihnen Ihr Bier in den Keller liefern. Voraussichtlich gegen Ende des Braujahres 1977/78 wird die Bierproduktion in Uster eingestellt werden. Die Firma Brauerei Uster, P. Bartenstein AG, wird dann in Zürich gebrautes Bier ausliefern. Bevor es soweit ist, werden wir mit Ihnen zusammensitzen und reden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Brauerei Uster und ihrer Tochtergesellschaft sind anlässlich einer Betriebsversammlung über die Änderungen eingehend informiert worden. Das Personal bleibt in gegenseitiger Absprache weitgehend in den Betrieben weiterbeschäftigt oder wird – sofern es dies wünscht – später übernommen.
Wir danken Ihnen für Ihre Kundentreue, und wir hoffen, dass Sie uns auch in Zukunft vertrauen.
Wir wünschen Ihnen frohe Festtage und ein glückliches, erfolgreiches und gesundes neues Jahr.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Brauerei A. Hürlimann AG; Die Unterzeichneten, M. Hürlimann und E. Spühler,
Ihre Brauerei Uster, P. Bartenstein AG; Die Unterzeichneten, W. Graf und U. Bartenstein.

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1978: Hürlimann übernimmt Uster
Die Schweizer Brauerei-Konzentration geht weiter! Hürlimann schluckt Uster! Ein grosses Bier kauft ein kleines Bier! Uster-Bier hat bald ausgeschäumt! So lauteten die Überschriften in den Zeitungen, nachdem die Pressemitteilung der Brauerei Hürlimann verschickt war.
«Die Brau-Industrie wurde, wie alle anderen Branchen auch, von der Rezession betroffen. Der Wegzug von Gastarbeitern als Folge der allgemein schlechten Wirtschaftslage brachte eine massive Verringerung des Konsumentenkreises. Der Verbrauch pro Kopf ist aus verschiedenen Gründen rückgängig.
Auch die Brauereien im Ausland haben Überkapazität. Sie versuchen deshalb, sogenannte Überkapazitätsbiere als «Billigstware» auf die Auslandmärkte zu werfen. Diese Importbiere erobern sich auf dem schrumpfenden Schweizer Markt einen zunehmend grösseren Anteil.
Alle Brauereien kämpften deshalb mit dem steten Rückgang im Bierkonsum und steigenden Produktionskosten. Dem Gesetzen von Ursache und Wirkung folgend, hat in der schweizerischen Brauerei-Industrie bereits eine starke Betriebskonzentration stattgefunden. Grossunternehmen zielen darauf ab, dadurch Überkapazitäten abzubauen und durch Rationalisierung Ausfälle zu kompensieren. Dieser Trend wirkt sich zwangsläufig zu Lasten mittlerer und kleinerer Brauereien aus. Es ist für die Entwicklung bezeichnend, dass der Marktanteil der zwei grössten einheimischen Brauereikonzerne, Feldschlösschen und Sibra (Cardinal), auf annähernd 50 % angewachsen ist.
Marktstudien haben ergeben, dass die Brauerei Uster mit einem schweizerischen Marktanteil von unter 1 % in unserer Wirtschaftssparte mittel- und langfristig kaum eine Überlebenschance gehabt hätte. Die Produktionskosten liegen gegenüber den Grossbrauereien eindeutig zu hoch, und notwendige Investitionen verlieren die gesunde Verhältnismässigkeit.
Die Inhaber der Brauerei Uster haben sich deshalb entschlossen, ihre Aktien an die Brauerei Hürlimann zu verkaufen.
Voraussichtlich gegen Ende des Braujahres 1977/78 wird die Bierproduktion in Uster eigestellt. Die Konsumenten werden frühzeitig über eine Umstellung informiert.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Brauerei Uster und ihrer Tochtergesellschaften sind anlässlich einer Betriebsversammlung über die Änderung eingehend informiert worden. Das Personal bleibt in gegenseitiger Absprache weitgehend in den Betrieben weiterbeschäftigt oder wird übernommen. Soziale Härtefälle wird es keine geben.»
Diese Mitteilung löste natürlich in Uster nicht eitle Freude aus. Das Uster Bier hatte Tradition, denn schon 1859 konnte man erstmals in Uster am Ort gebrautes Bier geniessen. Der aus dem Tösstal stammende Bierbrauer Johann Georg Stahel hatte in einer ehemaligen Sennhütte an der heutigen Brauereistrasse ein Sudhaus samt Kühlschiff gebaut. Die günstige Lage von Uster als Markt- und Industrieort trug rasch zum Aufschwung der kleinen Brauerei bei. Im Jahre 1887 übernahmen vier Brüder Bartenstein den von J. Georg Stahels Erben geführten Brauereikleinbetrieb. 1906 ging das Geschäft in den alleinigen Besitz von Peter Bartenstein-Guyer über. Nach seinem Tode, 1929, erfolgte die Umwandlung in eine Familienaktiengesellschaft.
Die Brauerei Uster, deren Hauptabsatzgebiet im Zürcher Oberland lag, wies in den letzten Jahren einen Bierausstoss von gut 30‘000 hl aus.

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In der Neuen Zürcher Zeitung war zu lesen:  «Mit der Einverleibung der Brauerei Uster setzt Hürlimann als drittgrösster Bierproduzent unseres Landes zu einem «Währschaften Schluck Bier» von 30‘170 hl an; diesen Ausstoss erzielte nämlich der Bartensteinsche Betrieb im vergangenen Braujahr, entsprechend einem unter kleinen Schwankungen in den letzten Jahren praktisch konstant gebliebenen Marktanteil von rund drei Viertel Prozent..
Grundsätzlich ist diese Übernahme wenig erstaunlich; sie fügt sich in eine leichte Konzentrationsbewegung ein, die kurz vor der letzten Jahrzehntewende ihren Anfang nahm und auch kaum abgeschlossen sein dürfte. Rein betriebswirtschaftlich gesehen gilt die Branche seit je als unterkonzentriert. Die beiden grössten Gruppen halten gegenwärtig einen Marktanteil von gut 49 %, die fünf grössten von knapp 70 % und die zehn grössten von knapp 87 %. Im Vergleich dazu liefert die Marke Hürlimann – also ohne Ausstoss der mehrheitlich beherrschten Brauerei Hof in Will – trotz «Bronzemedaille» in der Ausstossrangliste lediglich 7,3 Prozent des Gesamtabsatzes; dies ergibt einen Abstand von über 12,5 Prozentpunkte zur zweitgrössten Marke.»
Diese Übernahme brachte für unseren technischen Betrieb, unsere Verkaufsabteilung, aber auch für unsere kaufmännische Abteilung eine gehörige Portion Mehrarbeit.
Es galt, die Bierproduktion aufrechtzuerhalten, bis die Rohstoffvorräte aufgebraucht waren. Es galt, mit allen 205 Wirtekunden zu reden und sie davon zu überzeugen, dass sie mit der Umstellung auf Hürlimann Bier gut fahren. Es galt aber auch, Inventare zu erstellen, Waren und Vorräte zu bewerten, um den endgültigen Übernahmepreis bestimmen zu können.
Manches lief nicht so rund, wie wir es uns vorstellten. Es zeigte sich bald, dass die Firma, die aufgegeben hat, eine eigene Firmenpersönlichkeit zu sein, viel und rasch Vertrauen verliert. Arbeitnehmer kündigten ihre Stelle und verliessen den Betrieb, obwohl man sie noch dringend gebraucht hätte. Bald fehlten die Leute überall, und so wurde ganz unprogrammgemäss bereits am 22. März 1978 der letzte Sud in Uster gebraut. Schon vor den Sommerferien konnte kein Uster Bier mehr ausgeliefert werden.
Wenn wir so in Uster herumhorchen, stellen wir fest, dass in den Wirtschaften – ganz besonders am Biertisch – heute noch von der Brauerei Uster gesprochen wird. Lassen wir doch einen Ustermer selber reden:
«Der Verkauf der Brauerei Uster durch die Familie Bartenstein wurde nicht nur in Uster, sondern auch in weiten Kreisen des Zürcher Oberlandes mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Es gab zahlreiche Ustermer, die glaubten, dass die Produktion in Uster weitergeführt würde. Viele schimpften lauthals über die Verkäufer, die in Uster ganz gewaltig an Popularität eingebüsst haben. Viele schimpften über die Stadt Uster, weil sie meinten, die Stadt hätte den Betrieb übernehmen sollen. Viele Bürger finden, dass mit dem Verlust des Brauereigewerbes ein Stück altes Uster, ja ein Ustermer Wahrzeichen verlorenging.Die schönen Gläser und Krüge schmücken unsere Tische in den Beizen nicht mehr. Sie fehlen uns einfach. Wir waren eben mit unserer Ortsbrauerei eng verbunden. Wir kannten die Leute persönlich, die unser Bier brauten.»
Nach einem tiefen Schluck Hürlimann Bier fährt mein Ustermer Freund lächelnd fort: «Ja, ja, es ist schon gut, Euer Bier! Kein Wunder übrigens, denn Ihr habt ja jetzt auch unseren Braumeister bei Euch! Ihr seid eigentlich schon recht, aber schade ist es halt doch, dass ein Stück Uster der Vergangenheit angehört.»

1978: Die letzte Flasche Uster Bräu zu Grabe getragen
Dass auch der Verlust des Uster Bieres mit Humor getragen werden kann, zeigten einige eingefleischte Uster-Biertrinker Ende Mai 1978. 20 Ustermer in einem «Trauerzug» – darunter Stadtrat Max Kolb, der bisherige «Uster Bräu»-Besitzer Urs Peter Bartenstein und sein ehemaliger Braumeister Karl Mösch – haben von ihrem Bier auf besondere Weise Abschied genommen – in einem «Minisarg» wurde eine der letzten Flaschen des Uster Bräu «zu Grabe getragen».
Im Areal der Brauerei Hürlimann kreuzten die Männer im schwarzen Traueranzug auf. Alle gehörten zur Bierstammtischrunde des Ustermer Hotels Schweizerhof, dessen Wirt Gustav Schmid seine Stammgäste darüber entscheiden lassen wollte, ob das Hürlimann Bier als legitimer Nachfolger des «Uster Bräu» akzeptiert werden könnte. Die Nachfolge wurde in einer kunstvoll aufgemachten Urkunde verbrieft, die an Hürlimann-Direktor Ernst Spühler übergeben wurde. Das Ende des Ustermer Biers wurde dadurch markiert dass «die letzte Flasche Uster Bräu» von Fritz Jenny, der die «Abdankungsrede» gehalten hatte, auf den Boden der Brauerei Hürlimann geschüttet wurde – ein für Biertrinker normalerweise sündiger Vorgang.
Aus der «Abdankungsrede» möchten wir einige Worte festhalten, die von einer innigen Beziehung zum Bier «Uster Bräu» zeugen.

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«Der Anlass, der uns heute hier zusammenführt, müsste uns eigentlich mit Trauer erfüllen. Wir haben einen Weggefährten verloren, der viele von uns jahrzehntelang, in guten und schlechten Zeiten begleitet hat. Da aber gerade ihm Lachen und Fröhlichkeit immer sehr nahe standen, wollen auch wir seinen Abschied mit echtem Bedauern zur Kenntnis nehmen, gleichzeitig aber seine Natur würdigen und ihm die Ehre erweisen, das Gute in ihm herauszustellen. Er war immer auf Ausgleich bedacht, brachte die Ruhigen zum Sprechen und die Lauten zum Schweigen. Er schätzte den stillen Geniesser genauso wie die fröhliche Runde, er war Trost und Aufmunterung zugleich und brachte Sommersonne in die Herzen; auch unter schneeverhangenen Winterwolken.
Er liess Menschen Freunde werden, war Mittelpunkt in politischen Streitgesprächen, «Labsal» an heissen Tagen und blieb doch unauffällig im Hintergrund, bis man nach ihm rief».
Was da gesagt wurde, ist eine Liebeserklärung an alle Biere, und wir hoffen sehr, dass diese Ustermer Stammtischrunde ihre Zuneigung inzwischen auf unser rundes Hürlimann Bier übertragen hat.
Wir dürfen heute mit Befriedigung feststellen, dass unser Bier seine neuen Freunde gefunden hat. Es liegt nun an uns allen, dafür zu sorgen, dass sie ihren Wechsel nie bereuen müssen.